Editorial
Gut hundert Jahre ist es her, dass Arnold Schönberg mit dem ehernen Gesetz der Tonalität brach und damit der Musik eine Tür in die Freiheit öffnete. Was folgte, war ein Jahrhundert musikalischer Innovation, aber auch erbitterter ideologischer Auseinandersetzung, kreativen Experimentierens, aber auch des Scheiterns, ein Jahrhundert der Grenzüberschreitung, aber auch der Rückbesinnung. Die Jahre der Diskussion um Fortschritt und Regression scheinen vorbei und langsam –zu langsam – finden die Werke Eingang in Konzertprogramme der Orchester und Ensembles und damit in die breitere Öffentlichkeit. Hier als Katalysator zu wirken, ist die Aufgabe von spezialisierten Interpreten und Festivals. Die Salzburg Biennale präsentiert bedeutende Persönlichkeiten der Neuen Musik, konfrontiert Neues mit Werken der Tradition, stellt unterschiedliche Genres und verschiedene ästhetische Positionen nebeneinander und möchte nicht zuletzt durch die Verknüpfung mit anderen Kunstformen ein breites Publikum ansprechen und einladen, die faszinierende Musik unserer Zeit zu entdecken.
Vier Programmlinien mit jeweils spezifischem Profil prägen das Festival 2011: Unter dem Titel Zoom werden Komponisten von internationalem Rang, doch höchst unterschiedlicher Provenienz, Persönlichkeit und ästhetischer Haltung, mit Aufführungen, Workshops und Podiumsgesprächen vorgestellt: Michael Gielen, Dieter Schnebel, Friedrich Cerha und Thomas Kessler.
Im Focus steht in diesem Festivaljahrgang das Streichquartett, die Königsdisziplin der Kammermusik. Sieben internationalrenommierte Ensembles laden in kompakten Konzerten zu einemspannungsreichen Parcours durch den Werkekanon von der Zweiten Wiener Schule bis zur Gegenwart ein.
Der Themenschwerpunkt der Salzburg Biennale 2011 richtet sich nicht nur an Musikinteressierte, sondern auch an Cineasten und ist der Lichtspielmusik gewidmet. Befördert durch die digitale Restaurierung der berühmten Filme der Stummfilmzeit, wurde das Komponieren für den Film wieder zu einer ästhetischen Herausforderung. Dabei wird das Verhältnis von bewegtem Bild und Musik grundsätzlich neu befragt – mit bemerkenswerten künstlerischen Ergebnissen.
Schließlich werden unter dem Motto Szenenwechsel Musiktheater und multimediale Projekte präsentiert, sowie Produktionen, die jenseits der klassischen Konzertsituation angesiedelt sind und einen ungewöhnlichen Zugang zu den Werken suchen. Konzertante Musik als Material für Inszenierungen, Instrumentalisten als musizierende Darsteller – Musik für Augen und Ohren.
Heike Hoffmann